Im Interview: Diplom-Dolmetscher und -Übersetzer Marcus Geibel

In einer zunehmend globalisierten Welt haben Übersetzungen einen hohen Stellenwert. Menschen und Nationen müssen miteinander verbunden und Botschaften korrekt kommuniziert werden. Diplom-Dolmetscher und Übersetzer Marcus Geibel ist spezialisiert auf technische Übersetzungen, insbesondere Patentübersetzungen, und gibt uns einen Einblick in seinen Alltag als Übersetzer.

  1. Sie sind schon länger als Übersetzer tätig: Wie beurteilen Sie die Entwicklungen der Technik in Bezug auf englischsprachige Übersetzungen? Gibt es heute einen größeren Bedarf dafür als früher?

    Sowohl die Globalisierung als auch die Digitalisierung führen meiner Meinung nach dazu, dass der Bedarf nach zuverlässigen Übersetzungen eher größer wird. Unternehmen kooperieren auf internationaler Ebene miteinander. So müssen auch Fertigungsvorgänge, bestimmte Anleitungen und wichtige Geschäftsdokumente in verschiedenen Sprachen vorliegen. Schauen wir uns etwa den Bereich der Patentübersetzungen an, gibt es verschiedene Herausforderungen. Hier müssen die Patentbeschreibungen oftmals in 20 oder mehr verschiedenen Sprachen vorliegen. Bei Patenten, die in der Europäischen Union angemeldet werden, müssen Übersetzungen etwa auf Deutsch, Englisch und Französisch vorgelegt werden. Das verdeutlicht, wie wichtig zuverlässige Übersetzungen heute sind.

  2. Was finden Sie am Übersetzen so spannend? Wo holen Sie Ihre Begeisterung für den Beruf her?

    Man kann wirklich behaupten, dass ich mit Leib und Seele Übersetzer bin. Das Schöne an dem Beruf ist, dass kein Tag dem anderen gleicht. Jeden Tag gibt es neue Themengebiete, in die ich mich einarbeiten muss und somit meinen Horizont erweitere. Es gibt einfach nichts, das nicht vorkommen könnte. Das heißt für mich, dass ich jeden Tag dazulerne. Die Herausforderung für mich ist dabei, die Gedanken des Verfassers adäquat wiederzugeben. Gleichzeitig sollte man nicht merken, dass es sich bei dem finalen Text um eine Übersetzung handelt. Patente bilden hier eine Art Sonderfall: Im Gegensatz zu anderen Übersetzungen muss man hier sehr dicht am Original arbeiten und tiefer in die Materie einsteigen. Fehler haben hier besonders gravierende Auswirkungen, denn sie können die Patentierung einer Erfindung gefährden. Das ist ein sehr intensiver Balanceakt. Bei Patenten aus dem asiatischen Bereich gibt es noch weitere Schwierigkeiten: Eine vollkommen andere Satzstruktur, der beispielsweise Verhältnis- oder Zeitwörter fehlen, führt dazu, dass man sich zunächst etwa mit einer Reihe von einzelnen Begriffen auseinandersetzen muss, um deren inneren Zusammenhang zu verstehen und dies dann vor den entsprechenden technischen Hintergrund zu stellen. Dann muss man alles noch in adäquater Weise sprachlich zum Ausdruck bringen, somit wird es nie langweilig. Und wenn dann noch der Kunde seine Zufriedenheit zum Ausdruck bringt – das ist einfach eine tolle Belohnung.

  3. Sie sind unter anderem spezialisiert auf Patentübersetzungen und Übersetzungen aus dem technischen Bereich. Gibt es auch für Sie technische Neuerungen, die das Übersetzen und Dolmetschen heute einfacher gestalten?

    Sicherlich gibt es heute, aber auch schon länger technische Hilfsmittel, die das Handwerk des Übersetzers erleichtern – sogenannte Translation-Memory-Systeme zum Beispiel. Das sind vereinfacht ausgedrückt Datenbanksysteme, in welche man verschiedene Übersetzungen einspielen kann. Das System schlägt dann bei der nächsten Übersetzung vorhandene Übersetzungsteile im Hinblick auf den Kontext vor. Trotzdem muss man immer mit einem Auge fürs Detail an den Text herangehen und überprüfen, ob der Inhalt und ggf. die Wirkabsicht korrekt wiedergegeben werden. Für Laien ist es wahrscheinlich auch interessant zu wissen, dass die Maschinenübersetzung heute immer besser und zuverlässiger wird. Darunter fällt etwa der Übersetzungsdienst von Google. Ersetzen kann diese Technologie den Menschen jedoch (bisher) nicht – es bleibt mit Spannung abzuwarten, was künstliche Intelligenz hier noch bewirken wird. Und so unterliegt auch der Beruf des Übersetzers – wie so Vieles in unserer globalisierten und technisierten Welt – einem ständigen Wandel. Und auch das macht den Beruf so reizvoll.

  4. Können Sie sich an eine besondere Herausforderung in Ihrer Karriere erinnern? Wie haben Sie diese gemeistert?

    Meine größte Herausforderung war meiner Meinung nach die Spezialisierung auf Patentübersetzungen. Ohne die Hilfe verschiedener Tutoren, Mentoren und Auftraggeber wäre das nicht möglich gewesen. Die Herausforderung stellt sich nämlich bei jeder Patentübersetzung aufs Neue: Man darf keine Deutungen in die Übersetzung einfließen lassen oder Botschaften transportieren. Die Übersetzung muss sehr eng am Original erfolgen, im Gegensatz zu anderen Übersetzungen, wo die Botschaft stärker im Vordergrund steht und man mehr Freiheiten hat. Bei Patentübersetzungen kommt es eher auf die detailgetreue Wiedergabe der Inhalte an. Das ist nur mit einer gesunden Portion Selbstkritik und enger Kooperation mit Partnern sowie Auftraggebern möglich.

  5. Haben Sie auch privat viel mit der englischen Sprache zu tun oder sind Sie froh, wenn Sie die Bürotür schließen und die „Arbeitssprache“ hinter sich lassen können?

    Als großer Fan der englischen Sprache freue ich mich, wenn ich der „Arbeitssprache“ auch in meiner Freizeit begegne. Ich sehe sie eher weniger als solche, sondern nutze die englische Sprache als Entspannungsmöglichkeit. Ich lese beispielsweise sehr viel, und da ist natürlich klar, dass ich Bücher lieber in der Originalsprache lese und mich damit auch in der Freizeit täglich weiterentwickle. Für mich gehört Englisch damit genauso zu einem bewussten Erholungsprozess wie etwa die gute Tasse Tee zum Buch.